Beamtensold spaltet die SPD
Westfälische Rundschau vom 13.05.2013, Theo Schumacher
Düsseldorf/Dortmund. Der Streit um die Beamtenbesoldung in Nordrhein-Westfalen eskaliert jetzt auch zwischen Land und Kommunen. SPD-Landtagsfraktionschef Norbert Römer richtet in einem Brief scharfe Angriffe gegen die Stadt Dortmund, weil sie die „sozial ausgewogenen Sparbemühungen“ der rot-grünen Koalition erschwere.
Zum Hintergrund: Dortmunds Rat verlangt die volle Übernahme des Tarifabschlusses der Angestellten auch für seine rund 2000 Kommunalbeamten, während im Land die oberen Besoldungsstufen leer ausgehen sollen. Römer beklagte nun mangelndes „Stehvermögen und Solidarität“ von Dortmunder Rathaus-Spitze und SPD. Zuvor hatte auch Gelsenkirchens OB Frank Baranowski (SPD) geplante Nullrunden für Teile der Beamtenschaft in Nordrhein-Westfalen kritisiert.
Die Angestellten der Länder erhalten in diesem Jahr 2,65 Prozent und in 2014 2,95 Prozent mehr Gehalt. Nach dem rot-grünen Gesetzentwurf, der am Mittwoch erstmals den Landtag beschäftigt, soll dieser Abschluss dagegen nur auf die unteren Beamtenbesoldungsgruppen bis A10 komplett übertragen werden. Der Mittelbau (A11 und 12) soll nur jeweils ein Prozent mehr Lohn erhalten. Der höhere Dienst ab A13 soll leer ausgehen.
Dortmunds OB Ullrich Sierau (SPD) begründet in einem Brief an Römer die Forderung nach einer 1:1-Übertragung auf alle Beamte unter anderem mit der „Aufrechterhaltung der Arbeitsmotivation bei den Beamtinnen und Beamten“. Sie leisteten seit Jahren „erhebliche Beiträge zur Konsolidierung der Personalkosten“. Sierau verweist auf Streichungen oder Kürzungen beim Urlaubs- und Weihnachtsgeld oder die verlängerte Wochenarbeitszeit.
Im Gegenzug wirft Römer dem Dortmunder Rat vor, für fällige Mehrausgaben beim Personal keine Finanzierungsvorschläge zu machen. „Darüber schweigt sich der Ratsbeschluss aus“, bemängelt er in einem Schreiben an SPD-Fraktionschef Ernst Prüsse, das der WR vorliegt, und setzt spitz hinzu: „Du wirst uns sicher zeitnah einige Ideen liefern können.“ Eine volle Tarif-Übertragung für Beamte würde NRW nachhaltig 1,3 Milliarden Euro kosten oder den Abbau von 14000 Stellen bedeuten, so Römer, der Kopien des Briefs an Kraft und Sierau geschickt hat.
Bereits heute wollen Staatsanwälte und Richter in Düsseldorf gegen die vorgesehenen Nullrunden demonstrieren.
Zum Hintergrund:
Gegen die Stimmen der Grünen fordert das Dortmunder Stadtparlament –allen voran die SPD-Fraktion- die volle Übertragung der Tariferhöhung von 5,6 Prozent in 2013 und 2014 auf die beamteten Beschäftigten.
Dies sei „im Sinne der Gleichbehandlung mit den Tarifbeschäftigten und zur Aufrechterhaltung der Arbeitsmotivation geboten“, machte sich der Rat für die rund 2000 städtischen Beamten zum Anwalt.
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Hintergrund:
Bisher wurden die Beschlüsse des Landtages zu der Besoldung der Landesbeamten 1 zu 1 auf die Beamten in den Gemeindeverwaltungen übertragen. Angesichts der Proteste aus Dortmund wurde von den rot-grünen Landtagsfraktionen vorgeschlagen, künftig diesen Automatismus aufzugeben mit der Konsequenz, dass der Rat der Stadt Dortmund hierüber hätte anders entscheiden können. Bei Mehrbelastungen von 8 bis 9 Millionen € für 2013 und 2014 für Pensionen und Gehälter allein in Dortmund wurde auf Wunsch der Beteiligten hiervon Abstand abgenommen. Soviel zur Ernsthaftigkeit des Dortmunder Anliegens.
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Dortmund überdreht
Kommentar von Theo Schumacher, Westfälische Rundschau vom 13.05.2013
Für Hannelore Kraft und ihre rot-grüne Landesregierung wird es ungemütlich. Ein Jahr nach ihrem glanzvollen Sieg bei der Landtagswahl holen erste größere Widerstände die NRW-Regierungschefin ein. Das Aufbegehren der Beamten, die sich gegen Nullrunden wehren, ist aber nur ein Vorgeschmack auf künftige Proteste, die der unausweichliche Sparkurs nach sich ziehen wird.
Es sieht nicht so aus, als würde die Regierung beidrehen. Das Diktat der Schuldenbremse und ausufernde Personalkosten lassen ihre keine andere Wahl. Dabei kann man den Ärger der Beamten nachvollziehen, haben sie doch bereits Sparbeiträge zum Haushalt leisten müssen. Billig wirkt es, wenn Städte den Eindruck erwecken, sie seien im Besitz von Gelddruckmaschinen. Dortmunds Rat fordert die komplette Tariferhöhung für seine Rathaus-Beamten, hat aber kein Schimmer, wie das zu bezahlen wäre. Das ist nichts als blanker Lokalpopulismus.
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„Feigheit vor dem Feind", Politischer Streit um die Erhöhung der Beamtenbesoldung
Ruhrnachrichten vom 28. Mai 2013, Gaby Kolle
Dortmund. Bislang gab es einen Automatismus im öffentlichen Dienst. Tariferhöhungen, die für die Angestellten und Beamten des Landes ausgehandelt wurden, wurden eins zu eins von den Kommunen übernommen. Doch diesmal ist der Rat nicht damit einverstanden, dass im Gegensatz zu den Angestellten der Tarifabschluss für die Beamten sozial gestaffelt werden soll und Beamte der höheren Besoldungsgruppen ganz leer ausgehen.
Deshalb forderte der Rat mit den Stimmen von CDU und FDP/Bürgerliste die Landesregierung in einer Resolution auf, den Tarifabschluss für die Angestellte (5,6 Prozent gestreckt auf 2 Jahre) im Sinne der Gleichbehandlung zeitgleich und in voller Höhe auf die Beamten des Landes und damit auch der Kommunen zu übertragen. Schließlich hätten die Beamten seit Jahren mit Nullrunden, Streichungen und Kürzungen etwa beim Urlaubs- und Weihnachtsgeld erheblich zur Konsolidierung der Personalkosten beigetragen.
Nun gibt es Überlegungen der rot-grünen Landesregierung, den Ball zurückzuspielen, und es den Kommunen selbst zu überlassen, den Tarifabschluss für die Angestellten auf ihre städtischen Beamten zu übertragen. Das bestätigte der grüne Landtagsabgeordnete Mario Krüger auf Anfrage dieser Zeitung: Damit will man den Begehren ein Stück Rechnung tragen.“ In Dortmund würden rund 2000 Beamte von der Besoldungserhöhung profitieren, verbunden mit einer Belastung von acht bis neun Millionen Euro.
Dortmunder Politiker sehen in der Überlegung des Landes, sich aus der Affäre zu ziehen. Ullrich Monegel, Fraktionschef der CDU, nennt das „Feigheit vor dem Feind“. Damit gebe es kein einheitliches Tarifgefüge mehr. Ein Flickenteppich mit Zwei-Klassen-Beamtenschaften in NRW sei „sittenwidrig und nicht vorstellbar“, so Monegel. Die reicheren Städte würden damit den ärmeren Kommunen die Leute abwerben.
In Dortmund sei man bereit, die höheren Beamtengehälter zu zahlen, auch wenn man für den Personalkörper insgesamt nicht mehr ausgeben soll. Der CDU-Fraktionschef: „Es geht weniger um Quantität, sondern um mehr Qualität. Im stärkeren Wettbewerb wollen wir die guten Köpfe in der Verwaltung halten“.
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Anmerkung: Nach Ausführungen des CDU-Fraktionschef Ullrich Monegel sollen die Tariferhöhungen bei Beibehaltung des Personalkostenbudgets eins zu eins weitergegeben werden. Was heißt das: Personalabbau und Arbeitsverdichtung. 8 bis 9 Millionen höhere Personalkosten müssten demnach durch einen Abbau von 160 bis 180 Personalstellen gegenfinanziert werden!