Mario Krüger MdL

Sprecher für Kommunalpolitik,
Beteiligungen und Haushaltskontrolle

Plus Minus Normal Invert

GRÜNE sehen sich in ihrer Haltung bestätigt: Alkoholverbote helfen nicht bei der Problemlösung und sind rechtswidrig 

Anlässlich der Verkündung von zwei Urteilen des Verwaltungsgerichtshofes Baden-Württemberg zu Alkoholverboten in Freiburg ist zur Forderung der Nordstadt-SPD auch in Dortmund eine Alkoholverbotssatzung einzuführen, festzuhalten:

Die Erklärung der Unwirksamkeit von Alkoholverboten in Freiburg hat uns in unserer Position bestätigt, dass ordnungspolitische Maßnahmen nur bedingt geeignet sind, problematische Situationen, wie sie zum Beispiel in der Nordstadt beklagt werden, anzugehen.

Besonders interessant ist in diesem Zusammenhang die Begründung des Gerichtshofes, dass von den Adressaten des Verbots ein Gefahr ausgehen müsse, d.h. hinreichende Anhaltspunkte vorliegen müssten, dass all diejenigen, die mitgebrachten Alkohol konsumieren oder auch nur in der Konsumabsicht mit sich führen, regelmäßig gewalttätig würden. Davon könne jedoch nicht ausgegangen werden. Diese Argumentation war auch eine unserer Begründungen für die Ablehnung eines Alkoholverbotes in der Nordstadt, wie es die SPD verlangte. Denn es gibt in der Nordstadt keine Häufung von Delikten, die im Zusammenhang mit Alkoholkonsum stehen.

Auch die zweite Entscheidung zum sogenannten Randgruppentrink-Paragraphen ist interessant. Hier geht es nämlich um das Verbot des Trinkens im öffentlichen Raum, wenn es geeignet ist, Belästigungen hervorzurufen. Das Gericht hat festgestellt, dass ein generelles Verbot auf der Basis des allgemeinen Ordnungsrechtes unzulässig ist. Damit wird auch die Haltung des Dortmunder Ordnungsdezernenten sowie die Positionierung der GRÜNEN in der Nordstadt gestützt. Vorwürfe, dass der Dezernent nicht „durchgreife", die unter anderem von dem SPD-Stadtdirektor Sierau vorgetragen worden sind - auch vor dem Hintergrund dieser Rechtssprechung - völlig deplaziert.

Wir sind auch in Wahlkampfzeiten nicht willens, in populistischer Weise denjenigen nach dem Mund zu reden, die allein auf ;hartes Durchgreifen' setzen, um soziale Probleme zu lösen. Erforderlich ist viel mehr ein von allen getragenes integriertes Konzept, dass neben sozialpolitischen und städtebaulichen Elementen auch ordnungsrechtliche Maßnahmen enthalten kann. Verbote allein führen bestenfalls zur Verdrängung. Ansprache und Öffentlichkeitsarbeit sind mühsamer, führen aber zu einem nachhaltigeren Erfolg.

Hintergrund: Freiburger Alkoholverbote rechtswidrig

Mit zwei am 28.07.2009 verkündeten Urteilen hat der 1. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (VGH) in zwei Normenkontrollverfahren Bestimmungen in Polizeiverordnungen der Stadt Freiburg über Alkoholverbote für unwirksam erklärt.

Alkoholverbot im „Bermudadreieck" rechtswidrig:

Mit der im Kneipenviertel der Stadt Freiburg („Bermudadreieck") geltenden Verordnung will die Stadt den starken Anstieg von Gewaltdelikten bekämpfen, für den sie den Alkoholkonsum verantwortlich macht. Sie hat daher ein zunächst auf zwei Jahre befristetes Alkoholverbot erlassen, wonach es auf den öffentlich zugänglichen Flächen außerhalb konzessionierter Freisitzflächen verboten ist, alkoholische Getränke zu konsumieren oder mit sich zu führen, wenn aufgrund der konkreten Umstände die Absicht erkennbar ist, diese dort zu konsumieren. Das Verbot gilt in den Nächten von Freitag bis Montag, jeweils von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr und für die Nacht vor einem gesetzlichen Feiertag. Wer hiergegen verstößt, muss mit einem Bußgeld rechnen.
Nach Ansicht des VGH ist dieses Alkoholverbot von der Generalermächtigung des Polizeigesetzes nicht gedeckt. Diese erlaube eine selbst geringfügige Freiheitseinschränkung durch Verordnung nur, wenn typischerweise von jedem Normadressaten auch eine Gefahr ausgeht. Die Feststellung einer Gefahr verlange eine in tatsächlicher Hinsicht abgesicherte Prognose. Es müssten danach hinreichende Anhaltspunkte vorliegen, dass all diejenigen, die an den Wochenendnächten im Bermudadreieck mitgebrachten Alkohol konsumierten oder auch nur in Konsumabsicht mit sich führten, regelmäßig gewalttätig würden. Davon könne jedoch weder aufgrund der Lebenserfahrung, noch aufgrund polizeilicher Erhebungen zur Entwicklung der Gewaltkriminalität im betroffenen Gebiet ausgegangen werden. Die enthemmende Wirkung von Alkohol könne zwar zu aggressivem Verhalten führen, aber nicht typischer Weise bei jedem, der der Norm unterworfen werde.
Der VGH stellt weiterhin klar, dass das Eingreifen der Polizei in Einzelfällen gerechtfertigt ist, wenn es zu alkoholbedingten Ausschreitungen kommt. Soll schon im Vorfeld dem Alkoholmissbrauch in städtischen Brennpunkten entgegengewirkt werden, müsse der Gesetzgeber tätig werden. Derzeit bleibe der Stadt nur die Möglichkeit, mit dem herkömmlichen polizeilichen Instrumentarium wie Platzverweisen und Aufenthaltsverboten im Einzelfall gegen Störer vorzugehen; öffentliche Massenbesäufnisse (sog. Botellon) könnten untersagt werden. Auch könne die Stadt die im Rahmen eines Gesamtkonzepts getroffenen Maßnahmen (wie Vereinbarungen mit den gastronomischen Betrieben über die gegenseitige Anerkennung von Hausverboten, die freiwillige Selbstbeschränkung in Bezug auf sog. Flatrate-Angebote, systematische Öffentlichkeitsarbeit und „Gefährderansprachen") weiter verfolgen.

Sogenannter Randgruppentrinkparagraph rechtswidrig:

Auch eine weitere Regelung, die 2007 in eine bereits bestehenden Polizeiverordnung der Stadt eingefügt wurde und auf allen öffentlichen Plätzen und Straßen gilt, wurde vom VGH für unwirksam erklärt. Nach dieser Bestimmung ist das Lagern oder dauerhafte Verweilen außerhalb von Freischankflächen oder Einrichtungen wie Grillstellen u. ä., ausschließlich oder überwiegend zum Zwecke des Alkoholgenusses, verboten, wenn dessen Auswirkungen geeignet sind, Dritte erheblich zu belästigen. Diese Reglung, so der VGH, sei zu unbestimmt. Den Normadressaten sei keine hinreichend eindeutige Abgrenzung zwischen dem verbotenen und dem erlaubten Verhalten möglich. Aus dem Wortlaut ergebe sich nicht, dass nur Belästigungen durch Gruppentrinker erfasst seien. Eine Prognose, ob die Auswirkungen des Alkohols geeignet sind, Dritte zu belästigen, könne erst durch den Polizeivollzugsbeamten an Ort und Stelle getroffen werden. Diese Feststellung kann durch eine abstrakt-generelle Regelung nicht ersetzt werden.

Die Revision wurde nicht zugelassen. Die Nichtzulassung der Revision kann binnen eines Monats nach Zustellung der schriftlichen Urteile durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht angefochten werden. (Az.: 1 S 2200/08 und 1 S 2340/08).