Mario Krüger MdL

Sprecher für Kommunalpolitik,
Beteiligungen und Haushaltskontrolle

Plus Minus Normal Invert

16.12.2011: Schwarzer Tag für die Roten, OVG weist Klage gegen die Wahlwiederholung zurück

Zum heutigen Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster zur Wiederholung der Kommunalwahl erklären der Kreisverband und die Ratsfraktion von Bündnis 90/DIE GRÜNEN:

Herbe Abfuhr für die SPD-Kläger beim Oberverwaltungsgericht MünsterDurch die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts hat die SPD eine doppelte Niederlage einstecken müssen. Gleichzeitig ist das Urteil ein Sieg für die Bedeutung der Rechte des Rates gegenüber der Verwaltung. Das Verschweigen der Haushaltslücke durch den damaligen Oberbürgermeister Langemeyer war eine Haushaltslüge. Das hat das OVG Münster nun eindeutig bestätigt. Die Kommunalwahl vom 30. August 2009 wurde demnach in unzulässiger Art und Weise beeinflusst. Nur durch eine Wiederholung der Wahl kann das korrigiert werden. Das Gericht hat sich damit unserer Auffassung angeschlossen. Das Urteil ist deshalb eine späte Bestätigung der Entscheidung aller Fraktionen des Rates bis auf die SPD, die Wahl zu wiederholen. Damit ist auch klar gestellt, dass das Recht auf eine zeitnahe und angemessene Information des Rates an dieser Stelle einen höheren Stellenwert hat als das eigenständige Handeln der Verwaltung.

Die SPD und die gegen die Wiederholungswahl klagenden SPD-Ratsmitglieder sollten nun die Konsequenzen aus dem Urteil ziehen und darauf verzichten, gegen die Nichtzulassung einer Revision Beschwerde einzureichen. Dann wäre der Weg frei für eine Wahlwiederholung im Frühjahr.

Auch die Feststellung des Richters, dass es sich bei den Klagen der SPDRatsmitglieder nicht um ein Organstreitverfahren handelt, ist sowohl für die SPD als auch für den Kämmerer, Jörg Stüdemann, ein Schlag ins Gesicht. Damit muss die SPDFraktion die 120.000 Euro, die sie an allen Gremien vorbei vom Kämmerer als Kosten erstattung für die Klagen ihrer Mitglieder erhalten hat, umgehend an die Stadtkasse zurückzahlen.

Der Kämmerer hatte sich bekanntlich mit einem eigens in Auftrag gegeben Gutachten über die Auffassung des Rechtsamtes hinweggesetzt. Der Fraktionsvorsitzende der SPD, Ernst Prüsse, hatte unsere Kritik an den Zahlungen an die SPD im Sommer als „Affentheater“ bezeichnet. Wir sind gespannt, wie er nun die Entscheidung des Gerichts nennt.


Hierzu Pressestimmen:

Pressemitteilung des Oberverwaltungsgericht Münster vom 15.Dezember 2011
Ratswahl in Dortmund muss wiederholt werden

Der 15. Senat des Oberverwaltungsgerichts hat mit Urteil vom heutigen Tag entschieden, dass die Wahl zum Rat der Stadt Dortmund vom 30.08.2009 wiederholt werden muss, weil  Amtsträger der Stadt im Wahlkampf die Haushaltslage der Stadt „geschönt“ dargestellt und damit den Wählern  wahlkampfrelevante Informationen vorenthalten haben.

Im Kommunalwahlkampf 2009 wurde die Finanzsituation der Stadt Dortmund im Haushaltsjahr 2009 thematisiert. Die Vorsitzende der FDP-Fraktion erkundigte sich am 14.08.2009 bei der Stadtverwaltung über die Haushaltsentwicklung in Dortmund. Noch vor der Kommunalwahl gaben der damalige Oberbürgermeister und die damalige Kämmerin mit Schreiben vom 26.08.2009 Auskunft: Es sei derzeit nicht erkennbar, dass man mit den zur Verfügung stehenden Mitteln nicht auskommen werde. Der Vorjahresvergleich lasse noch keine Auffälligkeiten erkennen. Tatsächlich hatten der ehemalige Oberbürgermeister und die damalige Kämmerin bereits am 11.08.2009 wegen ungedeckter Mehraufwendungen von zumindest 23,4 Mio Euro eine Haushaltssperre verabredet, die am 01.09.2009, also einen Tag nach der Kommunalwahl, wirksam werden sollte.

Wegen der als "Haushaltslüge" bezeichneten Information beschloss der Rat der Stadt Dortmund auf Verlangen der Bezirksregierung Arnsberg, die Kommunalwahl wiederholen zu lassen. Die Ratswahl wurde jedoch nicht wiederholt. Stattdessen klagten 10 der 37 gewählten SPD-Ratsmitglieder gegen den Beschluss des Rates über die Wiederholung der Wahl. Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen gab der Klage im März 2011 statt, weil nicht davon auszugehen sei, dass der Wahlausgang durch eine ordnungs- und pflichtwidrige Amtshandlung beeinflusst worden sei. Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts legte die Stadt Dortmund Berufung ein. Dieser Berufung hat das Oberverwaltungsgericht nunmehr stattgegeben und die Klage der 10 SPD-Ratsmitglieder abgewiesen, so dass es bei dem Ratsbeschluss über die Wiederholung der Ratswahl verbleibt.

Zur Begründung hieß es in der mündlichen Urteilsbegründung: Die Auskunft des ehemaligen Oberbürgermeisters und der ehemaligen Kämmerin im Vorfeld der Kommunalwahl 2009 sei ein gesetzwidriger, die Entscheidung der Wähler möglicherweise beeinflussender Wahlfehler. Dieser habe die Ungültigkeit der Ratswahl und deren Wiederholung zur Folge. Ein zur Wahlwiederholung führender Wahlfehler könne nach ständiger Rechtsprechung auch darin liegen, dass den Wählern von Amtsträgern wahlkampfrelevante Fehlinformationen gegeben würden. Denn es sei verfassungsrechtlich geboten, dass sich der Wähler über Ziele und Verhalten der Wahlbewerber frei von Manipulationen oder Desinformationen Kenntnis verschaffen könne. Dabei sei rechtlich nicht erheblich, ob die Wahlbeeinflussung beabsichtigt oder bezweckt gewesen sei. Entscheidend sei allein, dass das fragliche Verhalten objektiv geeignet sei, den Wählerwillen zu beeinflussen. Dies sei hier hinsichtlich der Auskunftserteilung vom 26.08.2009 betreffend die Finanzlage der Stadt Dortmund der Fall gewesen. Amtsträger, die im Wahlkampf auf Anfrage eines Mandatsträgers die Haushaltslage als unauffällig darstellten, obwohl sie unmittelbar zuvor eine Haushaltssperre beschlossen und deren Vorbereitung in Auftrag gegeben hätten, handelten desinformierend und damit wahlrechtswidrig. Die festgestellte Desinformation könne auch für die Wahl des Rates von entscheidendem Einfluss gewesen sein. Eine zutreffende Darstellung der Haushaltslage hätte dazu geführt, dass in Dortmund eine vertiefte und kritische Diskussion über die Haushaltslage geführt worden wäre. Bei lebensnaher Betrachtung hätten nicht nur vereinzelte Wähler den ehemaligen Oberbürgermeister der Stadt Dortmund, deren ehemalige Kämmerin und die sie tragende Partei für die problematische Haushaltslage verantwortlich gemacht und möglicherweise eine andere Wahlentscheidung getroffen.

Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen kann Beschwerde eingelegt werden, über die das Bundesverwaltungsgericht entscheidet.

Aktenzeichen: 15 A 876/11



Ratswahl-Wiederholung in Dortmund ist späte Abrechnung mit Ex-OB Langemeyer
WAZ/WR vom 15.12.2011, von Jürgen Potthoff und Peter Ring

Dortmunds früherer Oberbürgermeister Gerhard Langemeyer verfolgte am Donnerstag das Urteil zur Ratswahl-Wiederholung am Oberverwaltungsgericht als Zuschauer. Er bekam eine volle Breitseite ab, zumal er die damalige „Haushaltslüge“ zu verantworten hat.

Er ist als Zuschauer gekommen. Doch was Dortmunds früherer Oberbürgermeister Gerhard Langemeyer am Donnerstag vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster zu hören bekommt, klingt stark nach Anklage.

Zehn Jahre lang war der Kunsthistoriker Oberbürgermeister von Dortmund, seit zwei Jahren ist er im Ruhestand. Seine Art der Amtsführung war oft umstritten. Seit Donnerstag ist sie mit richterlichem Makel behaftet. Die Dortmunder Ratswahl von 2009 muss wiederholt werden, weil es der Ex-OB und seine damalige Kämmerin Christiane Uthemann (beide SPD) nach Ansicht des Gerichts mit der Wahrheit nicht so genau nahmen. Und was nun erneut Wahlkosten von etwa 1,2 Millionen verursacht.

Wahlkampfrelevante Informationen vorhalten

„Undemokratisches Informationsverhalten“ warf Dr. Dieter Kallerhof, Vorsitzender OVG-Richter, den früheren Amtsträgern der Stadt Dortmund vor. Sie hätten die Haushaltslage der Stadt vor der Kommunalwahl vom 30. August 2009 „geschönt“ dargestellt und damit den Wählern „wahlkampfrelevante Informationen“ vorenthalten. Erst einen Tag nach der Wahl hatte die Dortmunder Öffentlichkeit erfahren, was Langemeyer und Uthemann schon gut drei Wochen vor dem Urnengang verabredet hatten. Wegen der angespannten Haushaltslage mit einem Loch von gut 100 Millionen Euro wurde in Dortmund eine Haushaltssperre verfügt.

Noch in der Woche vor der Wahl hatten die Fraktionen von FDP und Grünen eine Antwort Langemeyers auf eine Anfrage der FDP erhalten, in der sich die Haushaltslage der Stadt Dortmund ganz anders darzustellen schien: Es sei „nicht erkennbar“, hatte Langemeyer damals antworten lassen, „dass die Stadt mit den Mitteln ... nicht auskommen wird“. Die Opposition im Dortmunder Rat reagierte empört, auch viele von Langemeyers eigenen Genossen rückten von ihm ab. Das Wort von der „Haushaltslüge“ machte die Runde, es hallte weit über Dortmund hinaus.

Scherbenhaufen

Gemeinsam betrachtete der Dortmunder Stadtrat schließlich den hinterlassenen Scherbenhaufen und verordnete sich die Generalkur: Sowohl die Oberbürgermeisterwahl als auch die Ratswahl und die der zwölf Bezirksvertretungen, so der Beschluss, sollten wiederholt werden. Zehn SPD-Ratsvertreter klagten gegen die Wiederholung der Stadtratswahl und siegten in erster Instanz vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen.

Doch weil die Stadt Dortmund gegen dieses Urteil Berufung einlegte, musste am Donnerstag das OVG Münster über die Rechtmäßigkeit des Ratsbeschlusses zur Wahlwiederholung entscheiden. Worum es dabei auch ging, formulierte Richter Kallerhof so: um den „Stellenwert der Wahrheit in der Demokratie“.

Volle Breitseite

Zuschauer Langemeyer, im OB-Amt von dem auch in der zweiten Wahl bereits bestätigten Ullrich Sierau beerbt, bekam die volle Breitseite: In der mündlichen Urteilsbegründung nannte das Gericht die Auskunft Langemeyers und Uthemanns im Vorfeld der Wahl „gesetzeswidrig“. Sie sei ein die Entscheidung der Wähler beeinflussender Wahlfehler. Der Wähler habe das Recht, sich über Ziele und Verhalten der Wahlbewerber „frei von Manipulationen oder Desinformationen Kenntnis zu verschaffen“.

Der so gescholtene Ex-OB ließ verlauten: „Ich habe damals niemanden täuschen wollen und war von der Richtigkeit meiner Aussagen überzeugt.“ Er übernehme die politische Verantwortung für das seinerzeit von ihm unterschriebene Papier. Er nimmt diese Verantwortung mit aufs Altenteil.

Frohsinn und Urteilsschelte

In Dortmund tagte am Donnerstagnachmittag der Rat, der sich bald wahrscheinlich selbst auflösen muss. Letzte Sitzung vor Weihnachten, ohne Aussprache zum Münsteraner Urteil. Am Rande der Sitzung ging es in der Bewertung der neuen Fakten nicht allzu friedlich zu. CDU, Grüne und FDP frohlockten in ähnlichen Tonlagen (von „Klatsche für die SPD“ bis zum „Sieg für die Demokratie“), doch der SPD-Fraktionsvorsitzende im Dortmunder Rat, Ernst Prüsse, betrieb Urteilsschelte. Der Spruch aus Münster sei „hanebüchen“, das Gericht habe es sich mit seiner Entscheidung nach Aktenlage „zu einfach gemacht“. Prüsse ließ durchblicken, dass seine Fraktion – oder zumindest Teile davon – bereits auf die nächste Instanz schielten.

Revision hat das Oberverwaltungsgericht nicht zugelassen. Aber dagegen kann noch Beschwerde eingelegt werden.