Mario Krüger MdL

Sprecher für Kommunalpolitik,
Beteiligungen und Haushaltskontrolle

Plus Minus Normal Invert

04.03.2016: Tischtuch zwischen RWE-Vorstand und kommunalen Aktionären zerschnitten

RWE Kohlekraftwerk von oben gesehen

Noch vor einigen Monaten ist vom RWE-Vorstand den kommunalen Anteilseignern eine Dividende von 0,50 Euro/Stammaktie signalisiert worden. Umso überraschter waren die Beteiligten, aus der Presse zu erfahren, dass diese Aussage nicht gilt. Hintergrund sind vorgenommene Sonderabschreibungen auf Kraftwerksanlagen in Höhe von 2,1 Mrd. Euro, auf die der Vorstand in Abstimmung mit dem Wirtschaftsprüfer durchaus einen Gestaltungsspielraum hat. Durch diese Abschreibungen bedingt, wird ein negatives Geschäftsergebnis für 2014 ausgewiesen. 

Null-Dividende



Nach Aussagen von Vorstandschef Peter Terium wird das Betriebsergebnis für 2016 auf 2,8 bis 3,1 Mrd. Euro zurückgehen. In 2015 war es bereits auf 3,8 von zuvor 4,0 Mrd. Euro geschrumpft. Zum Hintergrund: Als Betriebsergebnis wird das Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit (=Ebit) bezeichnet, bereinigt um die Ertragssteuern, das Finanzergebnis und dem außerordentlichen Ergebnis. D.h.: Aus dem Betriebsergebnis sind die Steuern, die Aufwendungen der aufgenommenen Kredite (RWE war Ende 2015 mit rund 28 Mrd. Euro verschuldet) und mögliche Negativeffekte aus dem außerordentlichen Ergebnis wie Wertberichtungen oder Sonderabschreibungen zu finanzieren. Oder anders formuliert: Ob im nächsten Jahr eine Dividende ausgeschüttet werden wird, ist derzeit völlig offen.

Aufspaltung der RWE

Im Dezember 2015 hat der Aufsichtsrat die Aufspaltung von RWE beschlossen. Im Übrigen einstimmig! Geplant ist eine Altgesellschaft (RWE schwarz), bei der das fossile Energiegeschäft Gas-, Braun-, Steinkohleverbrennung einschliesslich Braunkohleabbau, der Energiehandel sowie die AKW-Aktivitäten verbleiben. In der neuen Gesellschaft (RWE weiß) soll der Vertrieb, die Netze und das Geschäftsfeld Erneuerbare Gesellschaft konzentriert werden. Die neue Gesellschaft wird rund zwei Drittel der Beschäftigten aufnehmen, aus den eingebrachten Geschäftsfeldern werden derzeit 70 % des Betriebsgewinns erwirtschaftet. Kurzfristig soll neues Kapital von neuen Investoren eingeworben werden, diesbezüglich ist die Kapitalaufstockung von 10 % geplant.

Mittelfristig soll die Beteiligung der Muttergesellschaft „RWE schwarz“ an der neuen Gesellschaft auf eine reine Mehrheitsbeteiligung (50 % + 1 Aktie) abgesenkt werden, d.h. entsprechend reduziert sich der Einfluss der kommunalen Aktionäre. Chef der neuen Gesellschaft „RWE weiß“ will Terium selbst werden. Die Altgesellschaft soll sein Vertrauter, der stellvertretende RWE-Vorstandsvorsitzende Rolf Martin Schmitz führen. Darüber hinaus beabsichtigt Terium im neu zu bildenden Aufsichtsrat von „RWE weiß“, die kommunalen Aktionäre rauszuhalten.

D.h. hinsichtlich künftiger Ausschüttungen aus der neuen Gesellschaft „RWE weiß“ an die Altgesellschafter sind die kommunalen Anteilseigner auf das Wohlwollen des neu gebildeten Aufsichtsrates abhängig. Sie bleiben letztendlich auf die verlustträchtigen Bereiche der Kohle- und Gasverstromung sowie auf die Rekultivierungsaufwendungen aus dem Braunkohleabbau bzw. den Rückbau-Entsorgungskosten der AKW-Aktivitäten ggfs. sitzen. Auf die in früheren Jahren z.T. gemeinsamen angegangenen Aktivitäten in den Bereichen Netze, Vertrieb, Konzessionen oder erneuerbare Energien haben sie keinen unmittelbaren Einfluss mehr.



Teriums Personalpolitik


Gleichzeitig werden RWE-Führungsleute mit kommunalem Stallgeruch aus dem Unternehmen herausgedrängt oder aber aufs Abstellgleis geschoben. Prominentes Opfer der Personalpolitik von Peter Terium ist der RWE-Deutschland-Chef Arndt Neuhaus. Weitere Top-Manager werden folgen, so die absehbare Entwicklung diverser Analysten.



Werner Müller als RWE-Aufsichtsrat-Chef durchgefallen


Ebenso sind die kommunalen Aktionäre mit ihren Personalvorstellungen zur Nachfolge des jetzigen Aufsichtsratsvorsitzenden Manfred Schneider gescheitert. Sie hatten sich auf den früheren Bundeswirtschaftsminister Werner Müller und heutigen Vorsitzenden der RAG-Stiftung verständigt. Demgegenüber setzte Terium in Abstimmung mit den übrigen Kapitalanteilseignern und den Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat den frühere SAP-Manager Werner Brandt, Mitglied des RWE-Aufsichtsrates als neuen Aufsichtsrat-Chef durch.


Was heißt das für die künftige Entwicklung von RWE?

Der Zusammenhalt der kommunalen RWE-Aktionäre schwindet zunehmend. Die größte Verankerung hat RWE noch bei den Kommunen im rheinischen Revier. Abnehmend ist die Bindung der Städte Dortmund und Essen an RWE, aber noch prägend mit Blick auf die eigenen Standortinteressen. Schwach ist mittlerweile die Bindung an RWE bei Städten wie Oberhausen, Mülheim oder Bochum (nur kleines Aktienpacket, kaum oder keine Standortinteressen). 

Die Ratingagentur Moody stufte RWE Ende Oktober auf die Stufe „Baa2“ ab, Ausblick negativ.

Ende August letztes Jahres senkte Standing & Poor die Kreditwürdigkeit von RWE auf die Stufe „BBB“, Ausblick ebenfalls negativ, ab. Damit liegt nach den beiden Ratingagenturen die Bonitätsnote von RWE nur noch zwei Stufen über dem „Ramsch“-Niveau, ab der Investments als spekulativ gelten. Die Experten begründeten die Senkung der Bonitätsnote mit schwachen Geschäftsaussichten, die von den gefallenen Strom-Großhandelspreisen und den Problemen im britischen Strom- und Gasgeschäft geprägt seien.

Damit erschweren sich für RWE günstige Bedingungen am Kapitalmarkt zu erzielen, um ausstehende Verbindlichkeiten durch neue Kredite abzulösen. 

Ein weiteres Risiko bilden die Pensionslasten. Einerseits steigen die Lebenserwartung der RWE-Pensionäre und damit auch die Pensionslasten, anderseits sind angesichts der andauernden Niedrigphase die derzeit ausgewiesenen Rückstellungen nicht auskömmlich.Nach Berechnung der Ratingagentur Fitch muss RWE in den kommenden Jahren eine Pensionslücke von 7,9 Mrd. Euro kompensieren.




RWE-Aktienkurs weiterhin auf Talfahrt



Der Eröffnungskurs zum 03.03.2015 lag bei 11,40 Euro. Damit hat sich der RWE-Aktienkurs innerhalb eines Jahres mehr als halbiert. Maßgeblich für die künftige Entwicklung des RWE-Kurses ist die Frage der AKW-Entsorgungs- bzw. Endlagerkosten. Ein Stiftungsmodell wurde von der Trittin-Kommission zwischenzeitlich verworfen, favorisiert wird eine Fondlösung. Angedacht ist nach Berichten von finanzen.net ein Fond, indem die AKW-Betreiber nicht etwa Aktien sondern Geld einzahlen müssen. RP online berichtet, dass die Kommission etwa 18 Mrd. Euro von den Konzernen haben will.

Über diesen Fond sollen die Kosten der Endlagerung finanziert werden. Abriss und Entsorgung der AKWs sollen über die verbliebenen Rückstellungen, insgesamt sind 38,5 Mrd. € ausgewiesen, von den Konzernen selbst finanziert werden. Kommt diese Fondlösung zustande, dann müsste RWE ca. 3,5 bis 4,5 Mrd. Euro an liquiden Mittel einbringen. Geld, was zurzeit nicht vorhanden ist.

 Ob dies ausreicht, daran bestehen erhebliche Zweifel.

Die vorhandene Substanz reicht kaum aus

Nach einer Studie der Professoren Wolfgang Irrek und Michael Vorfeld von der Hochschule Ruhr West vom Juli 2015 ist „sowohl bei E.ON als auch bei RWE festzustellen, dass die vorhandene Substanz derzeit höchstens annähernd ausreicht, um die Gesamtheit aller Verpflichtungen decken zu können.“ Nur E.ON wäre in der Lage, mit Vermögenswerten und Beteiligungen in Höhe von 56 Mrd. € Langfrist-Verbindlichkeiten von 55 Mrd. Euro zu bedienen. Die RWE-Vermögenswerte dagegen lägen mit 41 Mrd. Euro derzeit 10 Mrd. Euro unter Verpflichtungen von 51 Mrd. Euro. Zu den Verbindlichkeiten zählten neben den Atomrückstellungen auch Rückstellungen für die Braunkohletagebaue sowie finanzielle Verpflichtungen, etwa durch die Kredite, so die Professoren Irrek und Vorfeld.

Insgesamt hat RWE für den Abriss der AKWs und die Endlagerung des strahlenden Mülls Rückstellungen von 10,3 Mrd. Euro ausgewiesen.

Zwei Szenarien sind in Sachen RWE-Aktienkurs-Entwicklung denkbar. Werden die Kosten für Endlagerung und Rückbau der Atomkraftwerke realistisch angesetzt und sind diese von RWE und Co. selbst zu finanzieren, dann wird der RWE-Aktienkurs massiv einbrechen. Wird RWE geschont bzw. wird der Atomausstieg mit Steuergeldern in Teilen finanziert, dann ist von einer stagnierenden Entwicklung und bestenfalls leichten Erholung auf 15 bis 20 Euro je Aktie auszugehen. Analysten des Finanzmarktes schätzen die RWE-Kursentwicklung auf etwa 12,60 Euro ein (Spannbreite 10,00 bis 15,00 Euro/RWE-Aktie). Lediglich die Credit Suisse Group sprengt mit einer Kurseinschätzung von 19,80 Euro den Rahmen. 




Und was machen die kommunalen Aktionäre?



Stürzt der RWE-Aktienkurs ab, dann ist ein „wilder“ Ausverkauf zu erwarten. Insbesondere die unter dem kommunalen Dach geparkten, nicht gebundenen Papiere stehen als erstes zur Disposition. 

Nicht ganz so einfach, stellt sich der Verkauf von Aktien dar, die seinerzeit von den kommunalen Anteilseigner in die Beteiligungsgesellschaft RWEB GmbH einbracht worden sind. Die Aktien werden nicht mehr direkt gehalten, vielmehr besitzen die einzelnen Kommunen Anteile in Höhe des eingebrachten Aktienbesitzes an der Beteiligungsgesellschaft. 



Steigt der Aktienkurs auf 20 Euro und mehr an, dann werden sich ebenfalls viele Kommunen von ihren Aktienbeständen trennen. Die seit Jahren ungebremste Talfahrt der RWE-Papiere mit einem bisherigen Tiefstkurs von 7,46 Euro im September 2015 (Höchstkurs 95 Euro im Dezember 2007) hat zu einer massiven Verunsicherung der kommunalen Aktionäre geführt. Keiner geht mehr davon, dass üppige Dividende zu erwarten ist. Insoweit gilt es, möglichst geringe Abschläge im Vergleich zu den Buchwerten im städtischen Haushalt hinzunehmen.

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