Mit seiner Ankündigung, dass neue VRR-Sozialticket für Dortmund
verhindern zu wollen, hat der Fraktionsvorsitzende der SPD Ernst Prüsse
deutlich gemacht, dass ihm die betroffenen Menschen vollkommen egal
sind.
Ernst Prüsse lässt mit seiner Ankündigung 100.000
einkommensschwache Menschen in Dortmund im Stich. Denn deren Situation
würde sich durch das neue Ticket an einigen Stellen gegenüber dem
momentanen Sozialticket eindeutig verbessern. So fällt die bisherige
Nutzungsbeschränkung ab 9.00 Uhr morgens weg. Außerdem muss das Ticket
nicht mehr im Abo erworben werden. Damit sind die Betroffenen nicht
langfristig gebunden, sondern können sich von Monat zu Monat neu für das
Ticket entscheiden.
Das alles will Ernst Prüsse verhindern.
Für
einen Sozialdemokraten eine erstaunlich unsoziale Haltung. Die
Äußerungen von Ernst Prüsse machen darüber hinaus deutlich, dass er im
Grunde seines Herzens ein grundsätzlicher Gegner des Sozialtickets ist
und bleibt. Das damalige GRÜN-rote Dortmunder Sozialticket war nur gegen
massive Widerstände auch von Ernst Prüsse durchzusetzen. Auch in den
jetzigen Verhandlungen im VRR hat er versucht zu bremsen, wo es geht.
Selbst vom eigenen SPD-Antrag hatte er sich mit den Worten „Was kümmert
mich mein Geschwätz von gestern, der Antrag war doch eh' nur für die
Presse gedacht" distanziert.
Wenn Ernst Prüsse sich über den
Preis für das Ticket mokiert, dann ist das heuchlerisch. Er hätte als
Vorsitzender der SPD-Fraktion alle Möglichkeiten gehabt, hier etwas zu
verändern. DIE GRÜNEN im VRR haben ihr Bestes versucht, einen Peis zu
verhandeln, der eindeutig näher an den im momentanen SGB-II-Regelsatz
enthaltenen Summen zur Nutzung des ÖPNV liegt. Dies ist an den
Rahmenbedingungen und den Verhandlungspartnern gescheitert. Eine
Initiative von Ernst Prüsse für einen besseren Preis ist nicht bekannt.
Ganz im Gegenteil: Ernst Prüsse hat als SPD-Fraktionsvorsitzender im VRR
versucht alle diesbezügliche Initiativen versucht zu blockieren.
Er
steht mit seiner Kritik nicht an der Seite der Ruhr-SPD. Deren
Sprecher, der Gelsenkirchener OB Frank Baranowski, hält das
VRR-Sozialticket für eine Lösung, die vielen Menschen die Teilhabe am
öffentlichen Leben und Mobilität ermöglicht. Ernst Prüsse steht damit
auch nicht auf der Seite der vielen einkommensschwachen Menschen, die
ein solches Ticket brauchen. Schön, dass er das noch mal so deutlich
gemacht hat.
Wer mit Begriffen wie „Rattenfänger" versucht, den politischen Gegner zu diffamieren, zeigt nicht nur, dass ihm die Argumente ausgehen. Er geht mit solchen Ausdrücken in der politischen Auseinandersetzung auch eindeutig zu weit. Eine Entschuldigung wäre angebracht.
WAZ, Dortmund vom 21.07.2011, Michael Kohlstadt
Widerstand gegen Sozialticket in Dortmund
Dortmund.
Der Streit ums Sozialticket, er geht in eine neue Runde. Gerade erst
hatte der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) nach langem Ringen den
einheitlichen Spartarif für Geringverdiener beschlossen. Jetzt zeichnet
sich schon vehementer Widerstand dagegen ab. Am Ende könnte das
VRR-Sozialticket in Dortmund komplett auf der Strecke bleiben.
Ausbremsen
will den Billigfahrschein für den öffentlichen Nahverkehr die
Dortmunder Rats-SPD. Fraktionschef Ernst Prüsse, ohnehin ein erklärter
Gegner des mit schwarz-grüner Mehrheit im VRR-Verwaltungsrat zustande
gekommenen Modells, gibt keine Ruhe und läuft Sturm gegen das Projekt.
Er will den VRR-Beschluss quasi durch die Hintertür auskontern. Sein
Ziel: Das Ticket noch vor Einführung am 1. November zumindest für
Dortmund zu Fall zu bringen.
Nicht ganz überraschend dabei: Der
Dortmunder Chefgenosse knöpft sich im selben Atemzug seinen einstigen
Kompagnon aus den seligen Tagen rot-grüner Rats-Harmonie vor.
Grünen-Fraktionschef Mario Krüger habe sich beim Sozialticket als
„Blender, Wahlbetrüger und Rattenfänger von Hameln" entlarvt, poltert
Prüsse spürbar ungehalten los. Der Grüne habe einst versprochen, ein
Sozialticket zum Preis von unter 20 Euro bereitzustellen. Herausgekommen
sei nun eine Luftblase. Prüsse, den seit dem Ende der rot-grünen
Gemeinsamkeiten im Dortmunder Stadtparlament mit Krüger eine gepflegte
Männerzwietracht verbindet, attackiert den einstigen Bündnispartner auch
deshalb so scharf, weil der Grüne im VRR-Verwaltungsrat zwar mit ihm an
einem Tisch sitzt, dort aber gemeinsame Sache mit der CDU gemacht und
ein eigenes Sozialticket gegen die SPD durchgedrückt hat.
Dieses
Modell geißelt Ernst Prüsse jetzt als „Mogelpackung auf Kosten der
Kommunen." Die Einführung eines Sozialtickets sei grundsätzlich eine
gute, sozialpolitische Maßnahme. Zu den Bedingungen von CDU und Grünen
bringe es die Kommunen jedoch in finanzielle Schieflage.
Beteiligung ist freiwillig
Der
Beschluss sieht vor, dass die Verkehrsträger der jeweiligen Städte - in
Dortmund also die Stadtwerke - ihre durchs Sozialticket entstehenden
Verluste voll von den Kommunen erstattet bekommen. Prüsse: „In Dortmund
besteht so die Gefahr, durch das Sozialticket in die Haushaltssicherung
abzurutschen." Für Prüsse ist das nicht akzeptabel.
Der
Fraktionsboss will das Sozialticket fürs Dortmunder Stadtgebiet nun per
Ratsbeschluss aushebeln. Denn die Beteiligung am Sozialticket ist
freiwillig. Jede Kommune kann mit Ratsmehrheit ihren Ausstieg
beschließen. Einmal mehr bemerkenswert: das dafür notwendige politische
Farbenspiel. Um das schwarz-grüne Sozialticket im Rat zu kippen, braucht
Prüsse die Stimmen der Dortmunder CDU, deren Parteifreunde im VRR ja
mit den Grünen gestimmt hatten.
Dass er den Rat hinter sich zu
bringen vermag, daran ließ Ernst Prüsse im Gespräch mit unserer Zeitung
jedoch nur geringe Zweifel aufkommen: „Gehen Sie mal davon aus, dass ich
eine Mehrheit kriege."
Hintergrund:
Die CDU-Fraktion war nicht bereit auf
Prüsse's Vorschlag einzugehen und per Dringlichkeitsantrag die
Einführung des Sozialtickets in Dortmund zu unterbinden.
Den Antrag von GRÜNEN und CDU zur Einführung des Sozialtickets im Verwaltungsrat des VRR finden Sie hier: